Nachruf für Achim Weber
Biografie


Liebe Freunde und Bekannte von Achim Weber.

Jeder von uns hat Achim Weber auf die eine oder die andere Weise kennen gelernt. Wir haben Ihn als den freundlichen, etwas schlacksigen Mann gekannt, der im Hintergrund der Demonstrationen unermüdlich Informationmaterial verteilte. Als jemanden, der mit klarem Verstand, diverse Meinungen wieder auf einen gemeinsamen Nenner bringen konnte. Wir kannten ihn als Betreiber des Klageverfahrens der Umweltverbände gegen die Waldschlösschenbrücke. Einige kennen ihn vielleicht noch aus frühen Antiatombewegungen. Andere von den gemeinsamen Einsätzen auf den Dresdner Streuobstwiesen, so zuletzt bei der Ernte auf der Quittenwiese in Niederpoyritz. Aber ungeachtet dessen, wo sich unsere Wege mit denen von Achim Weber kreuzten, Primär kannten wir Ihn in der Rolle eines unermüdlichen Kämpfers, eines Organisators, eines Umweltschützers.

Erst jetzt, nach seinem Tod, wird uns bewusst, wie wenig wir Achim Weber selbst, als private Person kannten.

Er lebte für seine Kämpfe, und er gab sich selbst nur wenig Raum in seinem Leben. Im Gedenken an seine Person und sein Wirken, möchten wir diesen Breich nutzen, um das Leben von Achim Weber Revue passieren zu lassen. Um sich aus ganz verschiedenen, vielleicht auch sehr persönlichen Blickwinkeln an ihn zu erinnern, wer dieser Mensch war, welch ein Leben er gelebt hat, was seine Wesenszüge waren, und schließlich darüber nachzudenken, was es ist, was er uns hinterlassen hat, was von ihm bleibt und was in uns allen hoffentlich ein wenig fortleben wird. Die meisten von uns haben Achim Weber nur einen kleinen Abschnitt seines Lebens begleitet. Manche länger, manche kürzer. Aber ganz gleich wie lange, so war die Zeit mit Ihm auf ganz unterschiedlicher Weise immer auch prägend.

Achim Weber wurde am 16.März 1956 in Meißen geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Gröditz. Seine Eltern Traute und Alfred Weber arbeiteten als Lohnbuchhalterin und Bauingenieur. Wie viele in unserem Alter, die noch nicht so richtig konform mit der DDR sein wollten oder sein konnten, lebte er seine eigene, kleine, persönliche Rebellion durch die langen Haare und seine demonstrative Affinität zur Rockmusik. In den Sommern reisten er und seine Freundin und spätere Frau Tanila oft per Anhalter nach Bulgarien, und wie so viele von uns schmuggelte er bei seiner Heimreise Bücher und Schallplatten aus Ungarn zurück in die DDR, die dann zirkulierten.

Nach seiner Zeit bei der Armee studierte Achim Weber in Dresden Heizungs-und Lüftungstechnik, wurde Diplomingenieur, und arbeitete danach einige Jahre in diesem Fach. Im Alter von 24 Jahren heiratete er seine Frau Tanila, und bald darauf folgten seine zwei Kinder Yvonne und Sascha. Bald aber schon begann Achim Weber in Teilzeit zu arbeiten, um sich seinen kleinen Kindern zu widmen, später blieb er ganz zuhaus. Diese damals in der DDR sicher ungewöhnliche Umkehrung des traditionellen Rollenverhätnisses schien ihm Spaß zu machen und führte bis jetzt zu einer sehr spürbaren, engen Bindung zwischen Kindern und Vater. Seine Opposition zu den Verhältnissen in der DDR verstärkte sich nicht zuletzt durch den Reaktorunfall in Tschernobyl 1986.

Er engagierte sich in kirchlichen ökologischen Umweltgruppen und entschied sich, mit seinem Engagement bewusst gegen eine Ausreise, weil er hier Veränderung bewirken wollte. Nach der Wende war er schließlich eines der Gründungsmitglieder der GRÜNEn LIGA, eines Netzwerkes von Umweltbewegungen, welche aus den Umweltgruppen der DDR zur Wendezeit entstand. In der Tat war Achim nicht nur einer der prägenden Köpfe dieser Bewegungen; Achim Weber war die GRÜNE LIGA.

In Dresden kannten wir Achim Weber als den warscheinlich wichtigsten Kopf der Welterbebewegung, bei dem er sich als Erhalter einer einzigartigen Naturlandschaft für unsere Kinder und Kindeskinder verstand. Ohne sein beständiges Engagement über viele Jahre wäre die Dresdner Welterbebewegung nicht so weit gekommen, fast doch noch eine Lösung erreicht zu haben, die dieses Elbtal in seiner Integrität für unsere Nachkommen in die Welt als Ganzes erhält. Wenn die Vernunft in diesem Lande auch nur eine kleine Chance gehabt hätte, dann wäre sein Kampf für einen Kompromiss letztendlich auch erfolgreich gewesen. Angetrieben war Achim Weber immer von einem starken Idealismus mit einem Gerechtigkeitsgefühl, und im gewissen Sinne waren diese Kämpfe für eine bessere Umwelt sein Lebenselixier.

„Warum tut nicht jeder etwas Kleines für die Welt?“ war seine immer wiederkehrende Frage. „Ich will nicht Erwartungen erfüllen, schauspielern, nicht darstellen, will schwach sein, so wie ich bin, will gerade stehn für irgendwas.“ Diese Worte fand seine Tochter Yvonne nach dem Tod ihres Vaters auf einem Notizzettel. Es sind Schlüsselworte, die uns helfen, den Menschen Achim Weber zu begreifen. Am klarsten beschreibt ihn der Begriff der Selbstlosigkeit. Sein Engagement für Dinge, die für ihn eine übergeordnete Deutung hatten, in der Tat eine ethische Dimension über das persönliche hinaus hatten, waren so wichtig für ihn, dass er im Gegenzug sich selbst nur wenig zubilligte, um für diese Ziele zu arbeiten.

Nicht zuletzt litt sein eigenes Familienleben unter diesem Engagement, und die Trennung von seiner Frau war nur eine der Folgen. Auch andere Versuche, neue Partnerschaften aufzubauen mussten letztendlich hinter diesen übergeordneten Ereignissen zurückstecken. Achim Weber war ein ehrlicher und ein konsequenter Mensch, er war bescheiden, er wollte nie im Vodergrund stehen, er hatte gerne die Arbeit im Hintergrund geleistet. Ohne ihn hätten viele dieser Initiativen nicht stattgefunden. Sein Engagement war nie zum eigenen Vorteil, diente letztendlich nie der eigenen Lebenssicherung, sondern seiner Überzeugung. Sein Perfektionismus, alles genau machen zu wollen, seine mangelnde Fähigkeit, Verantwortung an andere zu deligieren, sind Achim Weber nicht immer gut bekommen. Sie führten letztendlich zu seiner Selbstausbeutung und zum Abstand von vielen kleinen Freuden und Zerstreuung. Die guten Ratschläge seiner Freunde, sich selbst mehr Raum in seinem Leben zu geben, hat er regelmäßig abgewehrt.

Nachdem seine Kinder aus dem gemeinsamen Haus in Bühlau ausgezogen waren, schien sich sein Engagement für die von ihm vertretenen Prinzipien noch zu verstärken. Vielleicht wurde die entstandene Leere durch neue Aktivitäten auszufüllen versucht. Trotzdem war er seinen Kindern ein Vater, der sich um sie kümmerte, der ihnen Vorbild sein wollte, der sie liebte, und der stolz auf sie war, wenn er mit ihnen sprach. Im Gegenzug waren und sind seine Kinder auf ihren Vater stolz, die Geradlinigkeit, die er ihnen vorgelebt hat, seine Konsequenz und auf seinen Sinn für Gerechtigkeit. So sehr er für die Interessen anderer auf einer höheren Ebene kämpfte, so sehr stellte er seine eigenen Bedürfnisse zurück, in der Tat reduzierte er sie auf ein Minimum.

Erst in letzter Zeit schien er zu realisieren, dass er sich um sich selber kümmern müsste. Das letzte halbe Jahr, in dem er begann sein Haus neu zu planen, war wie der Versuch des Entwurfes für ein anderes Leben, eines, in dem Platz für ihn selbst, für ein Refugium für seine eigenen Wünsche und Träume sein würde. Er konnte diese Träume nicht mehr realisieren, obwohl er so voller Ideen war. Achim Weber starb zu früh, viel zu früh. Für seine Familie, für seine Freunde hinterlässt er eine Lücke, und ist einer von den Wenigen, dessen Tod auch eine Lücke in diesem größeren Maßstab hinterlässt, denn von wievielen Menschen kann man denn wirklich behaupten, dass sie ihre eigenen Interessen hinter die Interessen des Bewahrens eines Erbes für die ganze Menschheit gestellt haben. Es wird noch lange dauern, bis dies im Bewusstsein des politischen Dresdens angekommen sein wird, und man Achim Weber für seine Arbeit entsprechend würdigt. Bis dahin sollten wir nicht aufhören, ihm durch unser Handeln ein Zeichen zu setzen.