„Der Elbhang braucht moderne Architektur“
„Der Elbhang braucht moderne Architektur“

Architektur ist ein Reizthema – besonders dort, wo sie jeder sofort bemerkt. Eine solche Gegend ist der Elbhang. Alf Furkert, Präsident der Sächsischen Architektenkammer, schildert im SZ-Gespräch die „neue Sachlichkeit“ und erzählt aus der Dresdner Traditionskiste.

Über Architektur wird in Dresden gern und oft gestritten. Nachdem die Sächsische Zeitung am 22. Mai über zwei moderne Mehrfamilienhäuser am Schloss Wachwitz berichtet hatte, entwickelte sich daraus eine Diskussion über Neubauten am Elbhang. In Leserbriefen haben viele Dresdner ihren Unmut über die „kastenartigen Vierecke“ geäußert. Andere wiederum schätzen die neuen Häuser als durchaus passend ein. Die SZ sprach dazu mit Alf Furkert, dem Präsidenten der Architektenkammer Sachsen. Der 48-Jährige ist auf der Schevenstraße aufgewachsen.

Herr Furkert, wird der Elbhang von zu vielen neuen, kastenförmigen Häusern zugebaut?

Dass einige Dresdner diesen Eindruck haben, liegt auch daran, dass 60 Jahre lang gar nichts am Hang gebaut wurde. Schauen wir uns an, was dort steht. Das sind Weinbergshäuser, gründerzeitliche Sommervillen, Gebäude vom Anfang des 20. Jahrhunderts im Jugend- und Heimatstil sowie aus den 30er-Jahren. Dann gibt es einen Bruch. In der DDR sind keine nennenswerten Häuser dazugekommen. Umso deutlicher wird der Kontrast zu heutigen, modernen Gebäuden. Nein, der Elbhang ist nicht zugebaut mit neuen Häusern.

Wie kommt es dann, dass viele Dresdner diesen Eindruck haben?

Jedes Gebäude, das in diesem gewachsenen Areal dazukommt, fällt auf. Das war vor 100 Jahren nicht anders. Die kleinen Weinbergshäuser schienen anfangs nicht neben prunkvolle Villen zu passen. Aus heutiger Sicht relativiert sich das. Am Elbhang ist ein Neubau aber auch deshalb sehr präsent, weil er so weit sichtbar ist. Positiv kann ich erwähnen, dass die Bebauung nach der Wende sehr langsam erfolgt ist. Es ist immer gut, wenn ein Prozess die nötige Ruhe hat.

Welche Kriterien gibt es, nach denen in diesem sensiblen Gebiet gebaut werden sollte?

Die Stadt hat einen Bebauungsplan über den Elbhang gelegt, der Baufelder, Gebäudehöhen und anderes festlegt. Zudem gilt dort die Denkmalschutzsatzung. Aber diese Instrumente regeln nur bestimmte Dinge. Vieles ist eine Auslegungsfrage. Hinzu kommt, dass die Grundstücke dort teuer sind und mancher Bauherr auf wenigen Quadratmetern möglichst viel Wohnfläche unterbringen möchte. Dadurch sinkt teilweise auch der Bodenwert dieser Lage.

Aber ist es nicht genau der Punkt, dass gesetzliche Regelungen nicht reichen?

Nein. Schauen Sie sich Wohngebiete in kleineren Kommunen an, in denen eine Gestaltungssatzung die Dachform, Fensterfarbe und viele andere Dinge vorschreibt. Was würde uns so ein Einheitsbrei am Elbhang nützen? Das Leben ist vielfältig, und das zeigt sich auch in den Häusern ganz verschiedener Menschen.Gäbe es für alles Vorschriften, würden wir damit die Freiheit und die Kreativität der Bauherren und Architekten enorm einschränken.

Aber für den Architekten muss es doch klare Regularien geben, an denen er sich mit seinen Entwürfen orientiert.

Natürlich gibt es die. Die Maßstäblichkeit ist dabei ein ganz wichtiges, um das Gebäude harmonisch in seiner Umgebung zu platzieren. Detailqualität ist ein weiteres. Aber der Elbhang braucht moderne Architektur, genau wie die ganze Stadt. Für mich heißt das weg vom Mischmasch verschiedener Stilformen hin zu klaren, ruhigen Formen. Wir fahren moderne Autos, nutzen Computer und haben die neueste Küchentechnik, aber bei Häusern kramen wir gern in der Traditionskiste. Das funktioniert nicht.

Sie sprechen von klaren Linien. Heißt das, nur noch Bauhaus-Architektur für den Elbhang?

Das reine Bauhaus-Erbe ist sicher nicht alles. Denn trotz klarer Linien müssen moderne Gebäude auch Emotionen beim Betrachter wecken, sollten Wärme ausstrahlen und einen klaren Gegenwartsbezug aufweisen. Das gelingt nicht jedem Neubau. Auch am Elbhang sind leider Häuser entstanden, die wenig gestalterische Qualität haben.

Können Sie Beispiele nennen, welche neuen Gebäude Sie für besonders gelungen halten?

In Loschwitz fällt mir dazu die neue 62. Grundschule ein, ein Niedrigenergiehaus. In der Stadt wäre das der Neubau des Probensaales der Musikhochschule auf der Schützengasse. Trotz seiner kristallinen Form kommt er weich daher. Ganz anders der Ufa-Palast an der St. Petersburger Straße, der bewusst schroff wirkt.

Gespräch: Kay Haufe

Sächsische Zeitung, 25. Mai 2013