Aktuelle Berichte
20. Juli 2010 - Zum Verlust des UNESCO-Welterbetitels

Pressemitteilung des
Netzwerk Welterbebewegung Dresden

Die Welterbebewegung Dresden hat zum ersten Jahrestag des Verlustes des Welterbetitels Dresdner Elbtal die folgenden 10 Thesen formuliert.

1. Der Verlust des UNESCO-Welterbes in Dresden war kein einmaliger Ausrutscher, sondern folgt einer kühl kalkulierten Politik der sächsichen Staatsregierung mit dem Ziel der Schwächung von Denkmal- und Naturschutzinteressen.

2. Die Bedeutung der Welterbeproblematik und der damit verbundene Titelverlust sind in der Gesamtheit der Dresdner Stadtgesellschaft bis heute weder erkannt noch verstanden.

3. Die daraus resultierende tiefe Verunsicherung hinsichtlich des Selbstbildes einer Kunst- und Kulturstadt wird nicht wahrgenommen.

4. Es gibt seitens der Stadtspitze, des Freistaates und des Bundes keinerlei Interesse an einer Aufarbeitung des weltweit bisher einmaligen Geschehens. Bis heute hat niemand die politische Verantwortung für den Vorgang übernommen.

5. Bis heute wird die UNESCO von offizieller Seite des Freistaates Sachsen als Verhinderer von Wirtschaftsinteressen, als Vertragsbrecher und Querulant in absolut unzulässiger Weise gebrandmarkt. Die völkerverbindende und kulturbildende Funktion des Welterbeprogrammes der UNESCO wird damit disqualifiziert.

6. Ein Welterbetitel ist ein ideeler Faktor, dessen wirtschaftliche Gewichtung – im Falle seines Verlustes – materiell schwer zu beziffern ist. Insofern ist eine Aufrechnung gegenüber sinkenden oder steigenden Touristenzahlen unsinnig, da es mit dem Vertagsgegenstand (Schutz des Welterbes) nichts zu tun hat.

7. Dresden hat durch den Welterbeverlust bis jetzt bereits 10 Millionen Euro aus dem Förderprogramm des Bundes für Welterbestätten verloren. Da der Bund die Absicherung der Mehrkosten für den Bau des Elbtunnels übernommen hätte, sind durch die bereits jetzt angefallenden Mehrkosten für die WSB (30 Millionen Euro) und durch den Förderverlust ein Minus für den Freistaat und die Stadt Dresden in Höhe von 40 Millionen Euro entstanden.

8. Der Welterbeverlust war jederzeit verhinderbar, politisch aber nie gewollt. Alle Verhandlungsangebote der UNESCO wurden aktiv von Seiten des Freistaates und seiner Einflussträger im Bund verhindert.

9. Die jetzt bereits aufgelaufenen Mehrkosten für den Bau der WSB von ca. 30 Millionen Euro decken sich mit den prognostizierten Mehrkosten des Elbtunnels am Waldschlößchen. Da der Elbtunnel nachweislich baubar ist, wäre mit dieser Lösung der Welterbetitel jederzeit zu erhalten gewesen.

10. Der konstruierte Konflikt zwischen Bürgerentscheid pro WSB und Welterbeerhalt ist sachlich unzulässig. Zum Zeitpunkt des Bürgerentscheides pro WSB (der seiner verkehrlichen Intention nach von den Befürwortern des Elbtunnels nie in Frage gestellt wurde) gab es noch keine Konfliktsituation mit dem Welterbestatus, da dieser erst später verliehen wurde. Der Konflikt wurde bewusst politisch instrumentalisiert, um dadurch eine Lagerbildung für den Kommunalwahlkampf zu inszenieren.

Diese Einschätzung der Welterbebewegung deckt sich mit dem Urteil der Sächsischen Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Frau Prof. Sabine von Schorlemer. Auch sie hat in einem bisher in Deutsch nicht veröffentlichen Aufsatz den Verlust des Welterbetitels in Dresden als klaren Vertragsbruch seitens des Freistaates Sachsen gegenüber der UNESCO klassifiziert.

Thomas Löser sagte in diesem Zusammenhang:

Wer den Welterbeverlust an steigenden oder sinkenden Tourismuszahlen misst, denkt zu kurz. Ein Welterbe ist ein ideeler Wert, den zu erhalten sich der Vertragsstaat gegenüber der Weltgemeinschaft verpflichtet. Dies ist in Dresden in absolut unzulässiger Weise nicht geschehen. Damit hat die Kunst- und Kulturstadt Dresden dem weltweit erfolgreichsten internationalen Programm für Völkerverständigung und Schutz von Natur- und Kulturgütern schwer geschadet. Wer aber nicht über den Tellerrand des Elbtales hinausschaut und sich selbst in lächerlichem Größenwahn als Nabel der Welt ansieht, den interessiert eben auch nicht die Meinung der nationalen und internationalen Wertegemeinschaft.

Balthasar Permoser, Caspar David Friedrich, George Bähr, Gaetano Ciaveri, Hans Erlwein, Gottfried Semper und Richard Wagner stammten alle nicht aus Dresden und ohne sie und ihre Leistungen wäre Dresden um vieles ärmer.

Zur Zeit versucht die Staatsregierung die Bewerbung der Montanregion Erzgebirge um einen UNESCO-Welterbetitel aktiv zu verhindern. Auch die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes des Freistaates Sachsen dient diesem politischen Ziel. Die eklatante Nichtbeachtung der Denkmalschutzinteressen der Stadtverwaltung Dresden bei der Sanierung der Albertbrücke und dem Umbau des Kulturpalastes zeigen die gleiche kulturfeindliche Geisteshaltung.

(Quo vadis, Dresden? Vom Samstag, 3. Juli 2010)


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