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Redebeitrag von Prof. Haenchen auf der Kundgebung zur Titel-Aberkennung |
Dresden und der Welterbetitel Liebe Dresdner! Haben die Befürworter der unverhältnismäßig teuren, technisch rückständigen und ästhetisch katastrophalen Brücke, die Befürworter der Aberkennung des Welterbetitels, nicht immer von Demokratie geredet, die den Bau dieser Brücke zwingend notwendig macht? Haben nicht die gleichen Personen dieser Landesregierung und des Regierungspräsidiums und Teile des Stadtrates die demokratischen Mehrheiten dazu gezwungen, undemokratisch zu handeln? Immer unter Zustimmung der CDU? Dies obwohl die Mehrheit des Stadtrat zweimal die Zulässigkeit eines weiteren demokratischen Volksentscheides zur Elb-Querungsfrage befürwortet hat und einen Baustopp erwirken wollte. Ist nicht ständig mit falschen Zahlen und falschen technischen Argumenten zum Tunnelbau gehandelt worden? Inzwischen sind alle Argumente eindeutig widerlegt: Von den behaupteten 60 Mio. die es mehr kosten sollte, sind es inzwischen nur 29 bis 35 Mio. Euro. Gleichzeitig hat Dresden die Arroganz, viele Millionen aus dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung einfach zu verschenken. Wie kann man argumentieren, es gäbe kein Geld, wenn man gleichzeitig Millionen verschenkt? Geht es denn wirklich nur um einen beliebigen Titel? Jede einzelne Welterbestätte ist ein Erbe der ganzen Menschheit und nicht nur eine Angelegenheit des Staates oder der Stadt, in dem es zufällig liegt. Nur in Dresden ist diese internationale Erkenntnis nicht angekommen. Sollte das „Tal der Ahnungslosen“ so langfristige Auswirkungen haben? Gegen alle anders lautenden Behauptungen der Brückenbefürworter ist es tatsächlich so, dass der „Titel“ für alle Orte, die ihn erhalten haben und pflegen, große Vorteile in jeder Hinsicht, auch über Umwegfinanzierungen, gebracht hat. Sind denn alle Länder, Städte und Orte der Welt so viel schlechter informiert als einige regierende Dresdner, die zu wissen glauben, was gut ist? Warum beantragen in einer einmaligen Aktion gerade zu dieser Stunde die Niederlande, Dänemark und Deutschland die Anerkennung des Wattenmeeres in die Liste der UNESCO? Alles Menschen ohne Einsichten? Nein. So wie die Dresdner, die in freiwilliger Arbeit Jahre zugebracht haben, um diesen Titel mit allen daraus hervorgehenden Rechten und Pflichten für uns zu erstreiten, denen hier auch einmal Dank zu sagen ist, sind es diejenigen, die weitsichtig und verantwortungsvoll für die nächsten Generationen gehandelt haben. Eine Reise unserer Oberbürgermeisterin nach Sevilla könnte sicher, wenn sie mit offenen Augen durch eine der 13 spanischen Welterbestädte gehen würde, sehr lehrreich sein. Sie hat aber die Gelegenheit vorbeigehen lassen und nicht gesehen, welche großen Vorteile für diese Städte in dem Titel liegen. Eine einminütige Rede konnte das Problem nicht klären und war die Reise nicht wert. Nicht nur der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Martin Roth hat festgestellt, dass es in Dresden in diesem Jahr einen Besucherrückgang von etwa zehn Prozent gegeben hat. Die Bürgermeisterin hat daraufhin gleich das ganze Touristikamt zerschlagen. Dresden hat sich in den letzten Jahren als Eulenspiegelstadt einen Namen gemacht und bezieht seinen Wert aus Kuriositäten (besser gesagt: tragischen Entscheidungen): Die sowohl architektonisch und städtebauliche wie auch praktisch misslungene Neugestaltung des Postplatzes ist zur internationalen Lachnummer verkommen, das Kongresszentrum ist ein unzureichender, typisch Dresdner Kompromiss, die versuchte Abschaffung der Musikfestspiele ein Schlag gegen die Musikstadt Dresden. Unsere Stadtväter haben die falsche Frage für den Brücken-Volksentscheid gestellt, was uns nicht nur eine überteuerte Brücke beschert, sondern Folgekosten, die sonst sechs andere Brücken der Stadt zusammen kosten, die bei der Kultur fehlen werden. Wir haben auch das Loch am Wiener Platz, welches mit Millionen zugestopft wird, weil niemand zur richtigen Zeit die richtige Entscheidung getroffen hat, wir haben mit dem neuen Baumgesetz den ohnehin schon weit fortgeschrittenen Kahlschlag der Natur beschließen lassen. Wir müssen zusehen, wie in Zukunft Schnellboote die Elbufer und Ruderer gefährden werden, weil einige Politiker die Zeichen der Zeit nicht sehen, dass Dresdens Stadtlandschaft immer mehr seine Anziehung aus der Entschleunigung ziehen könnte, die immer mehr gefragt sein wird. All dem folgte und folgt logischerweise ein drastischer Rückgang der Touristen, dem eine weitere Fehlentscheidung gegenübersteht: Der vollständig unverhältnismäßiger Neubau von Hotels. Kultur erwirtschaftet mehr Volksvermögen als die Autoindustrie. Aber die Autoindustrie wird in der Krise gefördert, die Kultur weiter abgebaut. Fußball hat weit weniger Besucher in Deutschland als Konzerte und Theater. Warum sage ich das hier? Was Dresden gegenüber anderen Städten heraushebt, ist die kulturelle Ausstrahlung. Kultur ist einer der wichtigsten Standortfaktoren. Unsere Stadt hat wegen des außerordentlichen Niveaus der Künste einen Namen in der Welt. Wer an Dresden denkt, denkt zuerst an die edle Symbiose von Landschaft und Stadt, erhöht durch Kunst, Kultur und Wissenschaft. Über Jahrhunderte wurde diese Einzigartigkeit gepflegt. Millionen Menschen besuchten deshalb unsere Stadt. Viele Arbeitsplätze, vor allem in der Tourismuswirtschaft, sind davon abhängig. Dresden lebt also auch von seinem positiven Image als Kulturstadt. Auch deswegen siedelten sich Investoren in Dresden an. Prof. Hartmut Haenchen, Dirigent Die Rede wurde vor der endgültigen Aberkennung des Welterbe-Titels durch das UNESCO-Welterbekomitees formuliert. |