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11. Dezember 2012 - Dresdens Straßen für die Zukunft schlecht vorbereitet

Verkehrsökologe Udo Becker fordert mehr Investitionen für den öffentlichen Nahverkehr

Egal ob es um den Nutzen und die Kosten der Waldschlösschenbrücke geht, Alternativen zur von der EU geforderten Umweltzone oder um den Zustand der Verkehrswege – die Diskussionen um den Verkehr und die Straßen in Dresden sind allgegegenwärtig. Erst vergangene Woche räumte Baubürgermeister Jörn Marx (CDU) ein, dass künftig jährlich 50 Millionen Euro für den Unterhalt der Straßen fehlen. Wir haben uns mit dem Verkehrsökologen Professor Udo Becker von der TU-Dresden darüber unterhalten, was uns in Zukunft auf den Dresdner Straßen erwartet.

Wie gut sehen Sie Dresdens Infrastruktur, auch im Hinblick auf die finanziellen Engpässe, für die Zukunft vorbereitet?

Professor Udo Becker: Dresdens Infrastruktur wäre prima für die Zukunft vorbereitet, wenn wir weiterhin viel Geld für Straßenbau und -unterhalt hätten und wenn Benzin und Diesel in der Zukunft billiger werden wür- den. Das ist aber beides nicht zu erwarten. Für die Sanierung von Straßen gibt es immer weniger Geld und vor allem die Energie wird zukünftig teurer werden. Deshalb müssen Läden, Jobs, Ärzte und Apotheken in der Nähe günstig zu erreichen sein. Das heißt, der Verkehr mit Bus, Bahn und Rad wird eine größere Rolle einnehmen. Auf diese Zukunft ist Dresden schlecht vorbereitet.

Wo sind in Dresden in Zukunft die größten Engpässe zu erwarten?

Gravierende Engpässe sind nicht zu erwarten. Das war noch ein Thema, als der Verkehr laufend gewachsen ist. Das kann man in Dresden für die nächsten Jahrzehnte vergessen, weil wir im Durchschnitt älter werden, mehr zu Fuß gehen, Rad fahren und öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Unter anderem auch, weil die Kraftstoffe teurer werden. Der Verkehrsentwicklungsplan 2025 für Dresden wird dies sicher zeigen.

Wie sieht es mit den Auslastungen der Brücken aus? Wird die Waldschlösschenbrücke die erwartete Entlastung der Altstadtbrücken und des Blauen Wunders leisten können?

Als man dachte, die Zahl der Fahrten sei immer fest und mehr Brücken würden die vorhandene feste Fahrzeugzahl besser verteilen, ging man davon aus. Heute ist man schlauer. Im Planfeststellungsbeschluss zur Waldschlösschenbrücke steht ausdrücklich, dass das Bauwerk einige Zehntausend zusätzliche Autofahrten erzeugen wird. Diese Fahrten würden mit den DVB oder mit dem Rad stattfinden. Zukünftig werden die Bürger wegen der besseren Anbindung eher in das Auto steigen. Das alles erhöht die Kosten der Dresdner für Benzin, schwächt die Stadtteilzentren und schwächt die öffentlichen Verkehrsmittel.

Dresdens Einwohnerzahl wird zumindest mittelfristig wachsen. Ändern sich dadurch auch die Bedingungen im innerstädtischen Verkehr?

Nein, denn es wächst auch die Zahl der älteren Menschen, und die fahren weniger. Zudem sorgen die Kraftstoffpreise dafür, dass weniger Auto gefahren wird und andere Verkehrsmittel wichtiger werden.

Wie muss man auf diese Entwicklung reagieren?

Man müsste jetzt die DVB, Fußgänger, Radfahrer, Fahrgemeinschaften, Car Sharing und das Mobilitätsmanagement stärken, damit die Stadt verkehrstechnisch näher zusammenrückt.

Welchen Stellenwert wird zukünftig das Thema Nachhaltigkeit bei der Entwicklung neuer, vernetzter Mobilitätsangebote einnehmen? Wie schätzen Sie die Relevanz alternativer Antriebstechnologien, wie Hybrid, Elektro und Wasserstoff ein?

Sicher werden und müssen diese Punkte in Zukunft eine größere Rolle einnehmen. Allerdings verstehen viele unter „nachhaltiger Entwicklung“ etwas anderes als Carl von Carlowitz, der diesen Begriff Anfang des 18. Jahrhunderts prägte. Der Einsatz dieser modernen Technologien wäre toll, wenn sie zum Energiesparen führten. Solange aber Porsche und andere „Elektroautos“ bauen, die vor allem schneller, stärker und schwerer sind, machen wir allzu oft Schritte in die falsche Richtung.

Wird es in mittelfristiger Zukunft noch Autos in Dresden geben?

Natürlich! Was für eine Frage? Das Auto ist für viele Anwendungen das bestmögliche Instrument. Für manche Anwendungen – vor allem in Städten – ist es allerdings weniger geeignet.

Es notierte Hauke Heuer.

Professor Udo Becker ist seit 1994 Inhaber des Lehrstuhls für Verkehrsökologie an der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ der Technischen Universität Dresden. Dabei handelt es sich um den bis heute weltweit einzigen Lehrstuhl für dieses Fachgebiet. Becker machte sich unter anderem einen Namen als Gegner der Waldschlößchenbrücke. Im Planfeststellungsverfahren für die Brücke war er als Gutachter für die „Grüne Liga“ in Sachsen tätig. Professor Becker ist unter anderem Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des ökologisch geprägten Verkehrsclubs Deutschland (VCD).

Der TU-Wissenschaftler hält morgen um 19 Uhr einen Vortrag zum Thema Zukunftsmobilität. Die Veranstaltung gehört zum Programm der Volkshochschule Dresden. Sie findet in der Heinrich-Schütz-Residenz, Neumarkt 12, statt. Der Eintritt kostet sechs Euro.

Dresdner Neueste Nachrichten, 11. Dezember 2012