Aktuelle Berichte
4. November 2013 - Dresdner Waldschlößchenbrücke: Zu groß und zu teuer?

Seit genau zwei Monaten ist die Dresdner Waldschlößchenbrücke – die teuerste Stadtbrücke Deutschlands – in Betrieb. Und mancher reibt sich momentan verwundert die Augen: Warum ist auf ihr so wenig los? Das Großbauwerk ist für 45.000 Fahrzeuge pro Tag ausgelegt, aber nun sagen die ersten Zahlen: Es fahren nur etwa 23.000 Fahrzeuge täglich drüber. Deshalb die Frage: Ist die Brücke vielleicht viel zu groß und vor allem: Wurde da vielleicht viel Geld verschwendet?

von Hanno Griess

Viel Geld für die Katz?

180,5 Millionen Euro teuer, vier Fahrstreifen, überbreite Rad- und Gehwege an beiden Seiten: Klotzen statt kleckern war das Motto für die Waldschlößchenbrücke – auf Kosten des Steuerzahlers. Nachdem jetzt die Nutzerzahlen vorliegen, übt die Grünen-Politikerin und Verkehrsplanerin Margit Haase deutliche Kritik: „Man ärgert sich im Nachhinein, dass die Brücke zu groß dimensioniert ist und nicht in der Breite gebraucht wird. Im Grunde genommen ist es sehr viel verschleudertes Geld, das man hätte sparen können – auf jeden Fall ein zweistelliger Millionenbetrag.“

Die Stadt sieht das anders – insbesondere deren Baubürgermeister Jörn Marx (CDU): Für die Größe der Brücke habe es schließlich Prognosen gegeben, die aussagten, dass der Verkehr entsprechend steigen würde: „Bis 2025 werden wir die rund 45.000 erreichen.“ Aber an diese Überzeugung fügt Marx gleich an: „Wir wissen alle nicht, wie es 2025 aussieht, ob es überhaupt noch Autos gibt oder ob wir alle nur noch Straßenbahn und Fahrrad fahren müssen. Aber unsere Prognosezahlen sind nunmal so – wie soll ich die Waldschlößchenbrücke sonst planen?“

Die Prognosen waren einfach falsch

Kleiner hätte man planen können, sagen renommierte Fachleute. Einer davon ist Volkwing Marg, der Hamburger Stararchitekt. Marg baut sonst WM-Fußballstadien in Südafrika oder Brasilien, und er ist überzeugt: „Man hätte natürlich deutlich weniger Geld ausgeben können.“ Auf die Größenordnung will sich Marg nicht festlegen – wohl aber darauf, dass die Waldschlößchenbrücke überdimensioniert ist. Denn aktuellere als die zu Grunde liegenden Zahlen aus den 90er Jahren habe es ja bei der Konstruktion schon gegeben: „Ich habe lernen müssen, dass die Prämissen fragwürdig waren. Die Verkehrsingenieure sind immer von einem wachsenden Verkehr ausgegangen. Dass wir jetzt eine ganz neue Situation haben – nämlich die Tatsache, dass sich die Mobilität anders vollzieht -, hatten die gar nicht auf dem Schirm.“

Seit Jahren nimmt der Autoverkehr in Dresden ab, innerstädtischen Schwerlastverkehr gibt es quasi nicht mehr. Trotzdem fallen dem Dresdner Tiefbauamtschef Reinhard Köttnitz gleich mehrere Gründe ein, warum sich das auch wieder ändern könnte: „Das könnte die einerseits die Zunahme der Bevölkerungszahlen sein. Das könnte die Zunahme von Gewerbegebieten im Norden von Dresden sein, die dann eine Verbindung mit den Wohnquartieren im Süden finden. Es sind nicht nur Fahrzeuge, die dort unter Umständen mehr fahren, es sind möglicherweise auch Radfahrer oder Fußgänger, die die Brücke mitnutzen können.“

Allein die Möglichkeit rechtfertige den 180-Millionen-Bau, findet die Stadt. Architekt Marg findet das Gegenteil: „Dass der Anzug für ein Konfirmationskind am Anfang ein bisschen weit ist, war ein falscher Gedanke. Das Kind ist gar nicht mehr gewachsen, sein Anzug ist zu groß geblieben und wird zu groß bleiben. Da haben sich die Dresdner nicht mit Ruhm bekleckert.

www.mdr.de

MDR info, 28. Oktober 2013